Geschichten vom Leben mit Brüchen - Ostern 2025

Predigt zu Joh 20,11-18 von Henning Porrmann

 Liebe Gemeinde!

Ach, es wäre so viel zu sagen. Ich bin gerade völlig begeistert von der Osterkraft und der Auferstehung. So viele ermutigende Bilder und Texte sind gerade in mir, so viele Ostergeschichten, wie die von Maria und Petrus und dem anderen Jünger, der den Wettlauf zum Grab gewann und dann doch nicht der erste im Grab war. Ob das wohl Johannes war, der das Evangelium geschrieben hat und laut dieser Geschichte der erste war, der geglaubt hat? Auch das wäre eine interessante Ostergeschichte, aber hier und heute steht Maria im Mittelpunkt. Maria aus Magdala, die schon viel länger Auferstehung gefeiert hat. Jesus hat sie von sieben bösen Geistern befreit. (vgl. Lk 17,2) Nicht erst nach seiner Auferstehung, feiert sie ihr neues Leben, sondern weil er als einfühlsamer Lebens-Lehrer mit seinen Worten und seiner Heilkraft für ihre Befreiung gesorgt hat. Seit dem ist sie wie ihre männlichen Jüngerkollegen bei Jesus.

Wie schön, dass sie es ist, die den anderen verkündigt: Ich habe den Herrn gesehen! Begeistert erzählt sie ihre Ostergeschichte. Wie sie den Gärtner sieht und Jesus ihren Namen ausspricht, voller Anteilnahme und Liebe und sie erkennt, wie sie erkannt ist vom Leben. Maria! – Lehrer! In deinem Licht sehe ich das Licht. Du wirst mich immer mit dem Leben verbinden. Kein böser Geist kann mich für immer halten. Du führst mich aus dem Griff meiner inneren Dämonen und Ängste und Zweifel. Mit ihm kann Maria durch ihre inneren Abgründe immer wieder neu ins Leben gehen.

Andreas Knapp, ein Mönch im Orden der kleinen Brüder vom Evangelium hat die Geschichte in ein Gedicht gefasst, das mit einem Tanz endet. (Andreas Knapp, Heller als Licht – Biblische Gedichte, 6. Aufl. Echter 2024, S.73)

fragen an maria von magdala

wo hast du ihn
zum ersten mal gesehen

er saß im morgenlicht
am see und sang ein lied

was hat er dir gesagt
als er dich sah

sei nicht traurig maria und spring
über die sieben schatten deiner vergangenheit

wo hast du ihn
zum letzten mal gesehen

er hing in schwarzer nacht
am kreuz verstummt

was würde er dir sagen
sähe er dich jetzt

sei nicht traurig maria und tanz
mit den sieben farben des lichtes

Tanzen Liebe Gemeinde?

Tanzen, ins Schwingen und in Bewegung kommen mit den Melodien des Lebens, mit den schmetternden Posaunen und Trompetenklängen am Ostermorgen, auf diese Welt sehen und an das Leben glauben, trotz allem Elend, allem Krieg, aller Habgier und aller Dummheit. Macht doch heute auch mal einen Ostertanz. Wenn Ihr mutig seid mit anderen zusammen, wenn ihr Angst habt, jemand könnte über euch lachen, dann macht die Tür zu und tanzt ganz für Euch allein einen Lebens- und Hoffnungstanz. Legt Euch Eure Lieblingsmusik auf und geht mit Ihr in Kontakt und spürt die Hoffnung ganz und gar mit dem Körper. Ich weiß schon, jetzt gibt es einige, die gerne Bach hören und zur Matthäuspassion tanzen? Naja… wohl eher nicht. Aber das geht natürlich auch innerlich: Sich berühren lassen, hinspüren wo die Hoffnungskraft von der Musik dich ergreift.

Und dann macht das, was das Evangelium auch macht. Erinnert euch und erzählt Euch Eure Ostergeschichten. Ich meine nicht die großen, sondern die vielen Kleinen. Da wo du bedrückt nach Hause kamst und dann war da der Anruf… Da wo du dachtest: Das schaffe ich auf keinen Fall und dann kam da die Kraft… Oder wo du wütend warst und fast geschrien hast: Jetzt reicht es mir… und dann kam da doch wieder das lächeln und es hat noch nicht gereicht und der Weg ging weiter…

Zwei schöne Ostergeschichten aus meinem Emailpostfach habe ich mitgebracht.

Die Erste ist ein Bild: Ein Seelenfutter von „Barfuß & Wild“.
Die Überschrift war: Bedenke das hier, wenn du an Grenzen stößt: Wird ein Ei von außen zerbrochen, endet Leben. Wird es von innen zerbrochen, beginnt Leben. Große Dinge beginnen immer von innen.

Und ganz dazu passend erzählt unsere Bischöfin Beate Hofmann von ihrem Osterstrauch, an dem sie kunstvoll bemalte und ihr kostbare Eier aufgehängt hatte. Sie schreibt: groß war mein Kummer, als vor ein paar Jahren mein schön geschmückter Osterstrauß mit blühenden Zweigen und schön bemalten Ostereiern durch eine Unachtsamkeit umfiel und die kostbaren, mit vielen Erinnerungen verbundenen Ostereier zerbrachen.

Etwas trotzig sammelte ich die zerbrochenen Eier ein , legte sie in eine Schale und stellte sie auf den Ostertisch.

Und nach und nach wurde mir klar: Die zerbrochenen Eierschalen sind das eigentliche Sinnbild für das Ostergeschehen. Solange die Eier heil und schön sind, bringen sie kein Leben hervor. Das Ei muss schon kaputt gehen, damit neues Leben daraus hervorschlüpfen kann.

Seit mir das klar geworden ist, stelle ich meine zerbrochenen Eier jedes Jahr wieder auf den Ostertisch und meditiere mit Familie und Gästen, wie aus Zerbrochenem neues Leben kommt. Die zerbrochenen Eier sind immer wieder eine Provokation für unsere Sehnsucht nach Schönheit, nach Ganzheit, nach Heilsein.

Doch Ostern ist eben nicht das Fest einer schönen, heilen Welt. Ostern beginnt an einem Grab, mit Menschen, denen die Erfahrung des schrecklichen Sterbens eines geliebten Menschen noch in den Knochen steckt. Ostern widerfährt Menschen, die ihren Freund verraten und verlassen haben, die nicht da waren, als er es besonders nötig gehabt hätte.

Ostern, das ist die Erfahrung, dass aus zerbrochenem Leben und zerbrochener Hoffnung Neues entstehen kann. Ostern feiern wir ein Ende, das einen Anfang macht. Soweit Beate Hofmann.

Und dann können wir die Kriege, die Gewalt, die Habgier- und Zollstreitigkeiten, die Dummheit von Parolen, die Angst vor dem zu Kurzkommen mit hineinnehmen in unsere Gebete um Frieden und Hoffnung und Heilung.

Und dabei ist nicht das Heile das Ziel, sondern die Kunst des Lebens mit den Bruchstücken und den Fragmenten.

Also, jetzt seid Ihr dran: erzählt Euch selbst Eure Oster- und Auferstehungsgeschichten, damit ihr sie nicht vergesst und sie euch immer daran erinnern, dass ihr mit dem Leben verbunden seid. Und erzählt sie anderen. Tauscht Euch aus. Macht Euch gegenseitig Mut. Legt Eure sieben Geister der Vergangenheit in ein Osternest und feiert und tanzt die Befreiung.

Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.

Bei all dem begleitet, stärkt und beflügelt uns der Friede Gottes, der so viel höher ist als alle Vernunft. Er bewahrt unseren innersten Wesenskern, unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Predigten aus der Schlosskirche